Veranstaltung: | BAG F und I Brüssel 2018 |
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Antragsteller*in: | Sara Nanni |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.06.2018, 22:19 |
A1: Europa. Außen. Kohärent.
Antragstext
Europa. Außen. Kohärent.
"Europa ist am stärksten, wenn es mit einer Stimme spricht." hallt es durch die
Gänge. Doch was heißt das eigentlich, Europa und was ist eine Stimme? Und warum
und wie stark eigentlich? Der bevorstehende Brexit und die anhaltenden
Auseinandersetzung in der EU zum Umgang mit Migration aber auch die nicht
abreißen wollen Debatte um eine 'Europäische Verteidigung' werfen diese Frage
noch einmal radikal auf.
Stärke im neorealistischen Sinne kann gemeint sein, aber auch Stärke im Sinne
von Resilienz, der Kompetenz sich von negativen Entwicklungen, wie einer
scheinbaren Rückkehr des Autoritären, zu schützen.
Bündnis 90/Die Grünen sind eine proeuropäische Partei, eine, die den
europäischen Einigungsprozess in der EU aber auch die Prozesse in Europa, die
nicht in der EU stattfinden, mitgestalten will. Das allein ist schon zum Merkmal
geworden in einer Zeit, in der mit der CSU eine Regierungspartei auf eine
Renationalisierung der Politik setzt, europäische Spielregeln missachtet und
rechtspopulistische und rechtextreme Parteien in Deutschland und anderen
Mitgliedstaaten ihre Anliegen nicht mit der, sondern gegen die EU umsetzen
wollen, sie stellen eine ganze Regierungsebene zur Debatte. Da sind unpolitisch
daher kommende Bewegungen wie der Pulse of Europe plötzlich höchst politisch,
bekennen sie sich doch zu dieser Ebene. Für uns Grünen ist die europäische Ebene
nicht verhandelbar, können doch Herausforderungen der Zukunft, die wir als Grüne
sehen, wie der Klimawandel, der sozial-ökologische Umbau der Weltwirtschaft und
die festigen demokratischer Gesellschaften nur mit, niemals gegeneinander in
Europa gelingen.
Auch in der Außenpolitik gibt es viel gemeinsam zu gestalten. Selbst ständige
Sicherheitsratsmitglieder wie Großbritannien und Frankreich wirken relativ
einflusslos in Anbetracht aufstrebender Mächte wie China und Indien aber auch
über die über ihre Region hinaus sehr einflussreichen Golfstaaten oder dem
wieder geopolitisch sehr aktivem Russland. Die Machtpolitik die von diesen
Staaten und den noch-dominanten USA ausgeht ist keine Blaupause für das, was
sich pro-Europäer*innen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
wünschen sollte. Aber sie stellt die EU und Europa vor Herausforderungen, die
nur gemeinsam bewältigt werden können.
Die EU ist weltweit in ihrer Struktur einzigartig. Sie basiert auf einem
Prinzip, das nirgends anders politisch so intensiv und umfänglich gelebt wird:
Die Abgabe von Kompetenzen des Nationalstaats um gemeinsame Politik einer
supranationalen neue Souveränität zu ermöglichen. Die EU ist in gewisser Weise
ein Fluchtpunkt des Multilateralismus. International gibt es viele erfolgreiche
multilaterale Ordnungen, doch nirgends sind die Verflechtungen zwischen den
Staaten so eng, die Ordnung so stabil, die Akzeptanz so hoch. Die EU hat - bei
aller Kritik - als Friedensprojekt zu Recht den Friedensnobelpreis bekommen.
Multilateralismus, Zusammenarbeit auch bei Konflikten und nicht nur als Resultat
gemeinsamer (machtpolitischer) Interessen sind Chancen zum Frieden, wie es keine
anderen gibt. Dieser Tatsache kann man sich nicht oft genug bewusst werden. Die
Bedeutung der EU als Friedensprojekt zu banalisieren bedeutet vor allem, die
Gefahr eines neuen großen Krieges in Europa auszublenden.
Die Angriffe auf den Multilateralismus als Prinzip wie sie von den USA, Russland
aber auch China und anderen ausgehen, sind die wohl größte, ja historische
Herausforderung unserer Zeit. Weil nichts anderes als das bisschen Frieden, was
es schon gibt, auf dem Spiel steht. Gemeinsam mit Menschen auf der ganzen Welt
müssen Grüne deshalb in Europa und vor allem in der EU dafür kämpfen, dass
dieses Prinzip wieder gestärkt wird.
Das kann die EU nur mit einer gemeinsamen Stimme. Und das ist genau die
Definition von Stärke, die Bündnis 90/ die Grünen in die Welt und vor allem in
die EU tragen müssen. Die EU, die als höchsten Zweck den Frieden im Inneren hat,
muss sich um sich selbst kümmern, den inneren Frieden in der EU und Europa
fördern und mit gleichem Einsatz im Sinne des Friedens die Welt mitgestalten.
Die komparative Stärker einer gemeinsamen Außenpolitik der Europäischen Union
ist nicht das autoritäre oktroyieren von Regeln. Es ist, wie in der EU selbst
praktiziert, die Verhandlung, das Gespräch und der Kompromiss. Den Tendenzen zum
Totalitären, die in den politischen Entwicklungen in Russland, China der Türkei
und teilweise auch bei den USA zu entdecken sind, muss die EU die
Widerstandsfähigkeit eines demokratisch verfassten Gemeinwesens entgegenstellen.
Demokratie, Rechtsstaate und Menschenrechte sind nicht nur ein hohes Gut für die
Bürger*innen selbst, wenn sie gerecht umgesetzt werden, haben sie auch die
Strahlkraft Bürger in totalitären Systemen zu inspirieren und zu ermutigen.
Die Außenpolitik ist zugleich das Feld, das am meisten von den
Integrationsprozessen ausgeschlossen wurde. Hier haben die Staats- und
Regierungschefs noch am meisten zu sagen, hier gilt nach wie vor in der Praxis
das Konsensprinzip. Das muss sich ändern, damit die Herausforderungen dieser
Zeit gemeistert werden können brauchen wir eine starke EU-Außenpolitik in der
das Europäische Parlament stark eingebunden sein muss und die auf dem Prinzip
der Mehrheitsentscheidungen im Rat aufgebaut sein soll.
Die europäische Krisenpolitik, sowohl die der Finanz- als auch die der
Migrationskrise, haben die mögliche gemeinsame Stimme in der EU weiter
geschwächt. China, aber auch Russland und selbst kleine Staaten wie
Aserbaidschan haben diese Stimme durch bilaterale Kooperationen, in denen
Investitionen mit politischen Schweigepflichten verknüpft wurden, stumm gemacht.
Die Austeritätspolitik fällt der EU nachträglich auf die Füße, die
innereuopäische Nicht-Solidarität hat sich in Nicht-Loyalität verwandelt. Wie
man in den Wald ruft, so schallt es hinaus. Hier wieder Vertrauen zu schaffen
muss die erste Priorität sein. Auch zwischen den Gesellschaften. Die
Verwerfungen zwischen Deutschen und Griechen ist immer noch spürbar, es hat sich
was geändert in Europa.
Eine einige EU ist die Bedingung für eine gemeinsame Außenpolitik und das
Sprechen mit einer Stimme. Dazu bedarf es der verstärkten Solidarität zwischen
den Menschen die in der Europäischen Union leben, aber auch einer vermehrten
Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger an den Politikprozessen in der
Europäsichen Union teilzunehmen. Mit einer stärkeren sozialen Integration und
einer Vertiefung der Demokratie in der Europäischen Union, wird die EU auch nach
Außen handlungsfähiger. Das muss in der Zukunft das Ziel der EU sein.
Anders als die USA und anderen Staaten ist die EU keine militärische Weltmacht
und sollte das auch nicht anstreben. Statt auf sich auf die Stärke der Armee zu
berufen, muss sie sich auf die Stärke ihrer Argumente und die Leuchtkraft ihrer
sozialen und demokratischen Verfasstheit verlassen. Diese strahlen um so
kräftiger, je stärker die Werte, die die Union ausmachen sollten, auch
eingehalten werden. Und zur Zeit gibt es leider Vieles, was diesem
Wertefundament nicht entspricht. Allen voran eine Flüchtlingspolitik, die auf
Abschreckung, die Verlegung von Außengrenzen in Drittstaaten und und dreckige
Deals mit Diktatoren setzt. Diese aggressive Politik setzt nicht nur an der
falschen Stelle an, sie schadet auch der außenpolitischen Glaubwürdigkeit der EU
und damit einer der Säulen der Soft Power.
Es liegt im Interesse der Europäischen Union und im Interesse von Geflüchteten
und Migrant*innen, dass es die Lebensperspektiven auf dem afrikanischen
Kontinent und im Nahen Osten besser werden. Die kurzfristig angelegte neue
Kooperation mit Diktatoren zur "Flüchtlingsbekämpfung" ist nicht nur falsch, sie
läuft auch dem langfristigen Ziel zuwider. Statt sich mit dem Aufhalten von
Geflüchteten zu beschäftigen, dürfen autoritäre Regime nicht weiter unterstützt
werden, denn diese treiben Menschen zu Flucht.
Wir Bündnis 90/DIE GRÜNEN wollen eine starke EU-Außenpolitik. Eine die auf die
das geflügelte Wort der Wertegemeinschaft ernst nimmt und auch in diese zum
Maßstab der Beziehungen nach Außen nicht. Unsere Stärke ist die Stärke des
Rechts. Des Rechtsstaats, der Menschenrechte und Gerechtigkeit.
Sara Nanni und Michael Bloss:
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