Veranstaltung: | BAG F und I Brüssel 2018 |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 19.08.2018, 22:42 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A2NEU: EU Außenpolitik - Eine Union für den Frieden (NEU)
Antragstext
Grüne europäische Außenpolitik ist immer Friedenspolitik
Bündnis 90/Die Grünen sind eine proeuropäische Partei. Eine Partei, die den
europäischen Einigungsprozess in der EU sowie in Europa mitgestalten will. Dies
allein ist schon zum Alleinstellungsmerkmal geworden in einer Zeit, in der die
deutsche Bundesregierung auf eine Renationalisierung der Politik setzt und
europäische Spielregeln missachtet, in der rechtspopulistische Parteien in
Deutschland und anderen Mitgliedstaaten ihre Anliegen nicht mit, sondern gegen
die EU umsetzen wollen. Für uns Grüne ist die europäische Zusammenarbeit nicht
verhandelbar. Die Herausforderungen der Zukunft, wie der Klimawandel, der
sozial-ökologische Umbau der Weltwirtschaft und die Festigung demokratischer
Gesellschaften können nur mit-, niemals gegeneinander in Europa gemeistert
werden. Dies gilt auch für die Herausforderungen, die sich im Bereich der
Friedenspolitik stellen.
Die Vereinigten Staaten haben viele Jahre die Weltpolitik dominiert wie keine
andere Macht. Das US-Militär ist das schlagkräftigste, die Wirtschaft nachwievor
stark und auf internationaler Ebene bleiben die USA ein politisches
Schwergewicht. Die EU muss sich auch deshalb weiterhin um gute Beziehungen
bemühen. Doch seit der Wahl von Donald Trump steht das politische
Zuverlässigkeit der USA und die transatlantische Verbindung wie nie zuvor zur
Disposition. Die EU reagiert, auch im Lichte des Brexit, mit einer Suche nach
neuer, europäischer Stärke und Zusammenarbeit und findet - wie die Prozesse rund
um die PESCO zeigen, ihr Potenzial scheinbar vor allem im Militärischen.
Wir lehnen die Forderung , die EU müsse nun auch eine militärische Großmacht
werden, ab. Die europäische Geschichte lehrt, dass nicht einseitige Aufrüstung
und Militarisierung Frieden bringen, sondern gemeinsame Institutionen,
Multilateralismus und die Suche nach Einigung, trotz großer
Interessenkonflikte.In Zeiten der sich verändernden globalen Machtverhältnisse
muss der Kurs Europas der sein, nach innen und außen, politisch, diplomatisch
und zivil für eine friedlichere Welt und internationale Ordnung zu streiten.
Grundsätzlich begrüßen wir das Instrument einer ständigen strukturierten
Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen (PESCO). Gleichzeitig fürchten wir, dass
das Primat des Zivilen in der zur Zeit geplanten Variante der PESCO zur
Disposition gestellt wird. PESCO müsste im Gegenteil der Abrüstung, dem Schaffen
von Synergien dienen, nicht der Aufrüstung. Und sie kann nicht die alleinige
Antwort auf Herausforderungen der Sicherheitspolitik sein, sondern kann den
notwendigen Ausbau von Diplomatie und ziviler Konfliktprävention und -
bearbeitung nur ergänzen. PESCO, so wie es nun ausgestaltet ist, hat einen
deutlichen Überhang für industriepolitische Verteidigungspolitik. Der Haushalt,
den das EP in Begleitung von PESCO aufgesetzt hat, wird voraussichtlich im
Blickfeld eines engen Sicherheitsbegriffs, nicht im Sinne der Menschlichen
Sicherheit (Human Security) gestaltet. Pooling und Sharing von
Verteidigungskapazitäten in der Europäischen Union sind sinnvoll, sie dürfen
aber nicht zum Verkaufsargument für die Erhöhung von Militärausgaben und einer
Militarisierung der Europäischen Union genutzt werden. Sicherheit muss immer an
erster Stelle Human Security meinen, der Sicherheitsbegriff im Rahmen der PESCO
bildet dies in keiner Weise ab. In der EU selbst beginnend heißt das auch, statt
Geschenke an die Rüstungsindustrie zu verteilen in den sozialen Frieden
innerhalb der EU zu investieren - z. B. durch eine Sozialunion.
Das Europäische Parlament (EP) muss in außenpolitischen Fragen und Fragen von
Frieden und Sicherheit mehr Einsicht in die Prozesse und
Mitsprachemöglichkeiten, langfristig auch Entscheidungsbefugnisse, haben. Dort,
wo eine parlamentarische Kontrolle möglich ist, müssen schon jetzt
Entscheidungen, welche die Außen- und Verteidigungspolitik betreffen,
transparenter gestaltet werden, um in breiter Öffentlichkeit diskutiert werden
zu können. Der Parlamentsvorbehalt des Bundestages darf durch die europäische
Kooperation nicht unterlaufen werden.
Deutschland und zahlreiche andere europäische Staaten haben große Fortschritte
im Bereich der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung gemacht.
Frühwarnsysteme werden endlich koordiniert, Fachkräfte teilweise gemeinsam
ausgebildet und Polizei und Justiz in die Lage versetzt, bei zivilen Einsätzen
immer besser ihren Beitrag zu leisten.
Doch es bleiben auch noch viele Baustellen offen. Von einer kohärenten EU-
Außenpolitik und einer kohärenten, vollständig koordinierten Krisenprävention
aus der EU sind wir weit entfernt. Die Fachkräfte sind da, aber es sind zu
wenige - schon für bestehende Projekte. Dazu kommen viele EU-Politiken, die
Kriegsökonomien fördern, Entwicklung verhindern und Konflikte verschärfen.
Diesen Politiken muss ein Ende gesetzt werden, sonst arbeitet die EU gegen ihre
eigenen friedenspolitischen Ziele. Die jetzige Außenpolitk der EU im
Zusammenspiel mit der Außenpolitik
der Mitgliedssstaaten ist friedenspolitisch insgesamt ein zu kleiner Teil der
Lösung und noch immer ein zu großer Teil des
Problems. Die Werte, für die die EU steht, werden nicht immer gelebt, negative
Effekte ausgeblendet und Prävention zu kurz gedacht.
Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sind heute wichtiger denn je und
gehören ins Zentrum der europäischen Außenpolitik. Die EU sollte durch
strategisches, präventives und kohärentes Handeln in Führung gehen auf diesem
Gebiet. Dazu sind auch die Verbesserung von Frühwarnung, die effektive Förderung
und die Koordination von Mediationskapazitäten und eine Stärkung von
zivilgesellschaftlichen Organisationen und Nicht-Regierungsorganisationen
erforderlich. Der Evaluation des europäischen Engagements kommt dabei eine
Schlüsselrolle zu. Die EU kann außerdem mit gutem Beispiel vorangehen, wenn sie
die Potenziale und Bedeutung der Arbeit von Frauen in Friedensprozessen
beleuchtet.
Wir fordern, dass neben den bestehenden Programmen und Initiativen im
Praxisbereich der Prävention auch mehr in wissenschaftliche Programme investiert
wird, die es uns ermöglichen, andere Länder und Kulturen noch besser zu
verstehen. Es braucht ein ausgebautes Netz an Expert*innen, die die Diplomatie
mit ihrem Wissen über andere Staaten und Gesellschaften intensiv unterstützen
können. So ein weltweites Netzwerk und die Friedens- und Konfliktforschung
müssen als integraler Bestandteil eines nach Frieden strebenden Europas
verstanden werden. Sie sind kein nettes Beiwerk einer europäischen
Sicherheitspolitik sondern notwendige Vorraussetzung für nachhaltige
Sicherheits- und Friedenspolitik.
Auch in der gemeinsamen klassischen Außenpolitik gibt es viel zu gestalten.
Selbst ständige Sicherheitsratsmitglieder wie Großbritannien und Frankreich
wirken relativ einflusslos in Anbetracht aufstrebender Mächte wie China und
Indien, Aber auch im Vergleich zu den über ihre Region hinaus sehr
einflussreichen Golfstaaten oder Russland. Die Machtpolitik die von diesen
Staaten und den noch-dominanten USA ausgeht ist keine Blaupause für das, was
sich pro-Europäer*innen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
wünschen sollten. Aber sie stellt die EU und Europa vor Herausforderungen, die
nur gemeinsam bewältigt werden können. Dazu braucht es eine weitere Stärkung des
europäischen Auswärtigen Dienstes, einer noch besseren Koordinierung zwischen
den Außenministerien der EU, Entscheidungen des Rates im Mehrheitsprinzip und
nicht zuletzt ein zurücktreten nationaler Akteur*innen zu Gunsten der
europäsichen Außenbeauftragten, damit die EU auf internationalen Bühnen de facto
mit einer Stimme sprechen kann.
Die EU ist weltweit in ihrer Struktur einzigartig. Sie basiert auf einem
Prinzip, das nirgends anders politisch so intensiv und umfänglich gelebt wird:
Die Abgabe von Kompetenzen des Nationalstaats um gemeinsame Politik einer
supranationalen Souveränität zu ermöglichen. Damit ist die EU zur Zeit die
verdichtetste Form des Multilateralismus. International gibt es viele
erfolgreiche multilaterale Ordnungen, doch nirgends sind die Verflechtungen
zwischen den Staaten so eng, die Ordnung so stabil, die Akzeptanz so hoch. Die
EU hat den Friedensnobelpreis bekommen, weil sie das erfolgreichste
Friedensprojekt ist, was es je gegeben hat. Die Bedeutung der EU als
Friedensprojekt zu banalisieren bedeutet vor allem, die Gefahr eines neuen
großen Krieges in Europa auszublenden. Multilateralismus, Zusammenarbeit auch
bei Konflikten und nicht nur als Resultat gemeinsamer (machtpolitischer)
Interessen sind Chancen zum Frieden, wie es keine anderen gibt. Dieser Tatsache
kann man sich nicht oft genug bewusst sein.
Die Angriffe auf den Multilateralismus als Prinzip, sind die wohl größte
Herausforderung unserer Zeit. Weil nichts anderes als das bisschen Frieden, was
es schon gibt, auf dem Spiel steht. Gemeinsam mit Menschen auf der ganzen Welt
müssen Grüne deshalb in Europa und vor allem in der EU dafür kämpfen, dass
dieses Prinzip wieder gestärkt wird.
Das kann die EU nur mit einer gemeinsamen Stimme. Und das ist genau die
Definition von Stärke, die Bündnis 90/ die Grünen in die Welt und vor allem in
die EU tragen müssen. Die EU, die als höchsten Zweck den Frieden im Inneren hat,
muss sich auch um sich selbst kümmern, den inneren Frieden in der EU und Europa
fördern und mit gleichem Einsatz im Sinne des Friedens die Welt mitgestalten.
Die Stärke einer gemeinsamen Außenpolitik der EU ist nicht das autoritäre
Aufzwingen von Regeln. Es ist, wie in der EU selbst praktiziert, die
Verhandlung, das Gespräch und der Kompromiss.
Die europäische Krisenpolitik, sowohl in der Finanzkrise als auch bei den
aktuellen Herausforderungen der Migration, hat die Chance auf eine gemeinsame
Stimme der EU weiter geschwächt. China, Russland und selbst kleine Staaten wie
Aserbaidschan haben diese Stimme durch bilaterale Kooperationen, in denen
Investitionen mit politischen Schweigepflichten verknüpft wurden, stumm gemacht.
Die Austeritätspolitik fällt der EU nachträglich auf die Füße, die
innereuopäische Nicht-Solidarität hat sich in Nicht-Loyalität verwandelt. Wie
man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Hier wieder Vertrauen zu schaffen
muss die höchste Priorität haben - auch zwischen den Gesellschaften. Die Gefahr
von stärkeren Verwerfungen zwischen den europäischen Gesellschaften ist noch
nicht gebannt.
Eine einige EU ist die Voraussetzung für eine gemeinsame und einheitliche
Außenpolitik. Dazu bedarf es der verstärkten Solidarität zwischen den Menschen
in der EU, aber auch einer Stärkung der Partizipationsmöglichkeiten in
Politikprozessen der EU. Mit der Stärkung der Demokratie und sozialen
Integration wird die EU auch nach außen handlungsfähiger. Das muss in der
Zukunft das Ziel sein.
Der Schutz von Menschenrechten, die zentrale Stellung der Würde des Einzelnen,
der Wert der Pressefreiheit, das Streben nach Rechtsstaalichkeit und
Gerechtigkeit, all das macht die EU aus. Mit allen Staaten, die sich diesen
Werten weltweit verschrieben haben und - ähnlich wie in der EU - unterschiedlich
erfolgreich in der Umsetzung sind, wollen wir weiter an der ihrer Erhaltung und
Verbreitung arbeiten. Die Versprechen der Demokratien - Freiheit, Gleichheit,
Geschwisterlichkeit- wurden zwar bis heute nirgends vollends verwirklicht, sie
bleiben aber richtig.
Die EU muss ihre Partnerschaften nach diesen Werten ausrichten. Das heißt nicht,
dass Kooperationen mit Staaten, die keine Demokratien sind, verunmöglicht werden
sollen. Im Gegenteil - Multilateralismus ist gerade wegen der unterschiedlichen
Systeme von entscheidener Bedeutung. Es ist das einzige Prinzip, dass über
Systemfragen hinaus eine Ordnung schaffen kann, die Frieden fördert.
Die europäischen Werte strahlen um so kräftiger, je stärker sie eingehalten
werden. Zur Zeit gibt es leider Vieles, was diesem Wertefundament nicht
entspricht. So unter anderem eine Flüchtlingspolitik, die auf Abschreckung,
Verlegung von Außengrenzen in Drittstaaten und unlauteren Deals mit autoritären
Regimen setzt. Diese Politik setzt nicht nur an der falschen Stelle an und
bringt unendliches Leid mit sich, sie schadet auch der außenpolitischen
Glaubwürdigkeit und damit einer der vermeindlichen Stärken der EU. Genauso
kritisch sehen wir die Zusammenarbeit mit Staaten wie China oder Saudi-Arabien,
die beide ihren beträchtlichen weltweiten Einfluss nutzen um die an universielle
Menschenrechten gebundenen internationalen Standards zu unterlaufen.
Rüstungsexporte in diese Staaten lehnen wir ab.
Es liegt im Interesse der EU und vor allem im Interesse von Geflüchteten und
Migrant*innen, dass die Lebensperspektiven in unserer Nachbarschaft auf dem
afrikanischen Kontinent und im Nahen Osten besser werden. Die kurzfristig
angelegte Kooperation zur 'Flüchtlingsbekämpfung' ist nicht nur politisch
falsch, sie läuft auch dem langfristigen Ziel entgegen, die Lebensbedingungen in
den Herkunftsländern zu verbessern. Statt autoritäre Regime zu 'ertüchtigen',
sollte die EU ihren Einfluss nutzen um zum nachhaltigen Aufbau von
rechtsstaatlichen Stukturen, demokratischer Partizipation und wirtschaftlicher
Teilhabe in der Welt beizutragen.
Wir Bündnis 90/DIE GRÜNEN wollen eine starke EU-Außenpolitik. Eine, die auf die
das geflügelte Wort der Wertegemeinschaft ernst nimmt und diese zum Maßstab der
Beziehungen nach Außen macht.
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